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Ulrich Greiner

Von außen kommt nur das Licht

Über Vilhelm Hammershøi

Wer so gut malen kann, wie der große dänische Maler Vilhelm Hammershøi malen konnte, kann eigentlich nicht viel weniger malen, als Hammershøi gemalt hat. Türen, Fenster, Tische. Eine Frau im schwarzen Kleid von hinten. Rechts ein Stuhl, links ein Stuhl, in der Mitte ein Biedermeiersofa, darüber ein Bild an der Wand. Und immer wieder die Frau im schwarzen Kleid, und immer wieder die Türen. Sie hammershoi öffnen sich in Zimmer mit Türen, die sich in Zimmer öffnen. Die Räume sind fast leer, durch die Fenster fällt gedämpftes Licht. Ein großes Schweigen liegt über den Bildern.

Als die Hamburger Kunsthalle das Werk Hammershøis vor fünf Jahren präsentierte, war die Ausstellung ein großer Erfolg, und es ist leicht vorauszusehen, dass auch die Ausstellung in London viele Menschen faszinieren wird (ab 28. Juni 2008 in der Royal Academy). Jede Zeit gibt in ihrem Kunstgeschmack etwas von sich selber preis. Dass diese stillen Bilder eine so große und stille Bewunderung erregen, hat wohl damit zu tun, dass sie in allem unserer Gegenwart entgegengesetzt sind.

Die Welt, in der wir leben, ist schrill und bunt. Hammershøi zeigt uns eine Welt fast ohne Farben. Es gibt da kein Rot, kein Blau, kein Grün, kein Gelb, sondern nur ein ins Graue spielendes Rosa (das Altrosa einer alten Zeit), ein sterbendes Blau (jenes bleu mourant, von dem sich das Wort »blümerant« ableitet), ein bräunliches Grün und ein Gelb allenfalls im Licht, das von außen durch die Fenster dringt und das Gold der Bilderrahmen zum Leuchten bringt. Auch gibt es keine scharfen Kontraste. Die Bilder wirken wie auf Samt gemalt, die Konturen leicht verwischt, die Übergänge wie ein Schattenspiel im Septemberlicht.

Die Welt, in der wir leben, ist schnell und in ständiger Bewegung. Hammershøi zeigt uns eine Welt hammershoi2ganz ohne Bewegung. Die junge Frau mit dem großen Teller unterm Arm steht wie erstarrt, aber das Bild ist nicht Teil einer in Einzelbilder zerlegten Handlung. Wir können nicht erraten, was die Frau, deren Antlitz uns verborgen bleibt und damit auch ihr Gemütszustand, vorher getan hat, was sie zu tun gedenkt. Sie wirkt so selbstvergessen, als befände sie sich immer schon und für alle Zeit in dieser schönen, genügsamen Ruhe.

Die Welt, in der wir leben, ist voll mit Menschen und Gegenständen. Sie ist sehr äußerlich. Hammershøi zeigt uns eine Welt fast ohne Menschen, fast ohne Gegenstände. Und plötzlich werden diese wenigen Dinge, diese zarten Rückenansichten bedeutsam, gewinnt jede noch so schwache Farbnuance eine starke Wirkung. Wir sehen die Innenwelt der Außenwelt.

Vielleicht ist ein Blick auf Caspar David Friedrich hilfreich, dessen Bilder Hammershøi natürlich gekannt hat (das Motiv der Frau am Fenster hat er mehrfach variiert). Bei Friedrich geht der Blick in die Tiefe eines unbekannten, fernen Raums, der symbolisch aufgeladen ist und religiöse Bedeutung gewinnt. Der Weg geht vom Irdischen weg zum Himmel. Bei Hammershøi geht der Weg nach innen – so wie Novalis gesagt hat: »Nach innen geht der geheimnisvolle Weg.« Von außen kommt nur das Licht. Den Himmel aber sehen wir nicht, nur die Interieurs. Sie zeigen seine Wohnung in der Kopenhagener Strandgade 30, die Porträts seine Frau, mit der er bis zu seinem frühen Tod 1916 zusammenlebte (geboren wurde er 1864).

Wir sehen also eine Gegenwelt zu der unsrigen, eine Gegenwelt ohne Appell, ohne Vorwurf, ohne greifbare Botschaft. Sie zeigt uns kein Glück am häuslichen Herd, sondern eine kontemplative, melancholisch getönte Abgeschiedenheit, die auf uns verwirrte, umhergetriebene Zeitgenossen tröstlich wirkt. Wobei der Trost vielleicht einfach nur darin besteht, dass man im Betrachten der Bilder zur Ruhe kommt. Diese Ruhe hat auch etwas Unheimliches. Es ist, alles stünde alles auf einmal still, als wäre in den Bildern von Hammershøi endlich alles an sein Ziel gekommen.


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