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Ulrich Greiner

Eleganz und Scharfsinn
Der Büchnerpreis für Mosebach

Den Schriftsteller Martin Mosebach hat man noch selten ohne Krawatte gesehen. Wo immer er auftritt, wirkt er wie der Repräsentant einer raren Spezies: des gebildeten Bürgers. Seinen Beruf und seine Berufung sieht man ihm nicht an, und das ist insofern bemerkenswert, als lange Zeit der Typus des Bohemiens die Vorstellung vom Schriftsteller beherrschte. Dass einer schräg aussehe und durch schlechte Manieren von sich reden mache, passte gut zum Bild des genialischen Außenseiters, der von Zeit zu Zeit auszog, den Bürger zu erschrecken. Heutzutage nun ist der Bürger allenfalls durch den Steuerbescheid erschreckbar, und der Bohemien ist alt geworden.

Dass die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung den Büchnerpreis 2007 Martin Mosebach zuerkannt und dass dies überall Zuspruch gefunden hat, sagt mehr über uns als über ihn. Denn Mosebach, ein stupend gebildeter und scharfsinniger Konservativer im Wortsinn, ein Freund schöner Saumseligkeit und humoristischer Abschweifung, hat sich nicht verändert. Seit 1983 schreibt er die erstaunlichsten Romane und elegantesten Essays. Aber vor zehn Jahren noch wäre er kaum einem Literaturkritiker als Kandidat für den Büchnerpreis eingefallen. Dafür stand er zu sehr am Rande dessen, was der Geist der Zeit erforderte. Dieser nun hat sich gedreht, und sichtbarster Ausdruck davon ist der Erfolg von Mosebachs Häresie der Formlosigkeit (2002). Die Streitschrift für eine Wiederherstellung der traditionellen katholischen Liturgie wurde Ursache für den Begriff des Feuilleton--Katholizismus, mit dem sich seither Kirchenleute gegen eine historisch-ästhetische Debatte wehren.

Die aber ist zentral für Mosebach. Dass etwas hässlich sei, ist für ihn keine Geschmackssache, sondern ein Argument von Rang. Die historisch-ästhetische Wahrnehmung hat deswegen nichts Antiquarisches, sondern sie erlaubt Mosebach einen durchdringenden Blick auf die Entstellungen und Verbiegungen, die eine entfesselte Moderne dem Menschen abverlangt. Er begegnet dieser Moderne mit der Haltung, mit dem Selbstbewusstsein des Bürgers, der, wenn alle Stricke reißen, weiß, wo er herkommt und wo seine geistige Heimat ist. Wer etwa den großartigen Roman Westend (1992) liest, erkennt die geistige Verwandtschaft mit Heimito von Doderer. Das Buch ist eine Frankfurter Strudlhofstiege. Mosebach, 1951 in Frankfurt geboren, ist in seinem Leben wahrlich viel gereist (sein Roman Das Beben spielt in Indien, wo er einige Zeit verbracht hat), ist aber in der Hauptsache Frankfurter geblieben. Dort spielen viele seiner Romane, auch sein jüngster Das Mädchen und der Mond, der in Kürze bei Hanser erscheinen wird.

Dass Mosebach nun den wichtigsten deutschen Literaturpreis bekommt, zeigt, wie sehr sich die Literatur und ihre Rezeption verändert haben. Man muss der Akademie gratulieren, dass sie dafür Sinn und Aufmerksamkeit hatte.

Erschienen in der ZEIT


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